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Produktion in Städten war früher allgegenwärtig. So ist die kleinräumliche innerstädtische Konzentration der mittelalterlichen Ständewirtschaft heute vielerorts noch an Straßennamen wie „Gerbergasse“, „Schmiedsgasse“ oder „Bleichergasse“ abzulesen.  Der große Flächenbedarf und die Notwendigkeit die Immissionsbelastungen zu reduzieren, haben die Verlagerung größerer Industriebetriebe in Gewerbe- und Industriegebiete an die Ränder der Siedlungskerne erforderlich gemacht. Die aufkommende individuelle Motorisierung der Bevölkerung hat dies erleichtert und die in der Charta von Athen propagierte funktionale Trennung von Arbeiten und Wohnen ist bis heute weiterhin gesetzliches Paradigma der Stadtentwicklung.

Unterschiedliche Entwicklungen haben in den letzten Jahren dem Thema Urbane Produktion zur Aufmerksamkeit verholfen: die Finanzkrise und die damit einhergehende Abkehr von einer reinen Dienstleistungsorientierung; die Erkenntnis, dass die Förderung wissensbasierter Dienstleistungen nicht ausreicht, um den strukturellen Wandel sozial gerecht zu bewerkstelligen; die Digitalisierung und die Möglichkeiten der emissionsärmeren Produktion; ein verändertes städtebauliches Leitbild und die Forderung der Nutzungsmischung aus ökologischen und sozialen Gründen, um Stoffkreisläufe und eine Stadt der kurzen Wege zu ermöglichen und, nicht zuletzt, eine wiederentdeckte gesellschaftliche Wertschätzung handwerklicher und vor Ort hergestellter Produkte.

Getrieben durch Debatten um Klima- und Arbeitsschutz, CO2-Reduktion, „Fridays for Future“ oder „Extinction Rebellion“ sowie die zunehmende Digitalisierung (Industrie 4.0) in den Medien, gewinnen lokale Produktion sowie regionale Wertschöpfungsketten im Sinne von „Cradle-to-Cradle“ wieder an Bedeutung. Auch die Verlagerung von Produktionsstätten in „Niedriglohnländer“ wird aufgrund des Lohndumpings und Umweltfolgen zunehmend kritisch betrachtet. Viele setzten auch deshalb in ihren Stadtentwicklungsstrategien auf das Thema.

Die Rückkehr der Produktion in unsere Siedlungsnähe – kann dafür sorgen, dass, auch um Nutzungskonflikte zu vermeiden, Produktion sauberer wird. Darüber würden die Menschen dann mit den Umweltbelastungen konfrontiert. Denn die Verdrängung der ressourcen- und emissionsintensiven Industrien zugunsten der städtischen Blaupausen- oder Kreativökonomie lässt uns weniger sensibel hinsichtlich der Produktionsweisen (im ökologischen und sozialen Sinne) sein sowie gegenüber unseren Konsumweisen. Denn, wenn wir sehen, hören und riechen, wie Kleidung oder anderes produziert wird, konsumieren wir vielleicht weniger und lassen mehr reparieren. Die ökologischen Effekte Urbaner Produktion hängen jedoch stark davon ab, ob es tatsächlich zu einer Rückverlagerung bzw. Regionalisierung von Wertschöpfungsketten kommt oder nur die „Veredelung“ der Produkte in „gläsernen Manufakturen“ als Entertainment für die hippe aufgeklärte Stadtbevölkerung erfolgt.

Der Wissensstand zum Thema Urbane Produktion basiert noch sehr auf der Auswertung einzelner Fallstudien und Umfragen. Eine systematische – gerade auch quantitative – Erfassung des Phänomens und eine dementsprechende Abschätzung der ökologischen, sozialen, städtebaulichen und ökonomischen Wirkungen konnte bisher noch nicht erfolgen, auch weil es noch kein einheitliches Verständnis oder eine gemeinsame Definition dazu gibt.

In diesem Seminar soll nicht nur die Frage adressiert werden, wie groß die Chance für ein nennenswertes Maß an neuen Produktionen in den Städten ist und welche Möglichkeiten bestehen, neue Funktionsmischungen in den städtischen Quartieren zu etablieren, sondern auch ob gegenwärtige Planungsinstrumente geeignet sind, Mischung zu ermöglichen und der Verdrängung gewerblicher Nutzungen im Produktionssektor entgegenzuwirken. Ferner soll kritisch reflektiert werden, ob die proklamierten positiven ökonomischen, ökologischen und sozialen Folgen realistisch sind.

Diese Schwerpunkte werden im Rahmen des Seminars sowohl theoretisch-konzeptionell diskutiert, als auch durch Fallbeispiele veranschaulicht. Ferner sollen Dilemmata mit Hilfe von Podiumsdiskussion aufgezeigt werden.

Selbsteinschreibung (Teilnehmer:in)
Selbsteinschreibung (Teilnehmer:in)