Abschnittsübersicht

  • Modulbeschreibung MAT-605 im Modulhandbuch

    Die Veranstaltung umfasst 4 Wochenstunden Vorlesung und 2 Wochenstunden Übung (4 V + 2 Ü). Beide Veranstaltungen zusammen bilden ein Modul mit 9 Leistungspunkten.

    Dozent der Vorlesung

    Prof. Dr. Ivan Veselić

    Vorlesungstermine
    Raum Tag Zeit
    M/611
    Dienstag12:00 – 14:00
    M/611   Donnerstag  
    14:00 – 16:00


    Was soll ich mir unter Funktionalanalysis vorstellen?

    Es hat sich etabliert, dass der Begriff Funktionalanalysis für lineare Funktionalanalysis steht, und diesem Gebiet widmet sich die Vorlesung. (Andernfalls spricht man explizit von nicht-linearer Funktionalanalysis.)

    Jeder von Ihnen hat die Vorlesungen Lineare Algebra und Analysis gehört.

    Die Lineare Algebra beschäftigt sich mit algebraischen Strukturen. Einen prominenten Platz nehmen Abbildungen ein, insbesondere lineare und affin-lineare, deren strukturelle Eigenschaften ebenfalls untersucht werden.

    Für die Analysis sind die Begriffe Limes, stetig, differenzierbar zentral. Dafür müssen wir einen Abstandsbegriff zu Verfügung haben, der sich insbesondere dann ergibt, dass wir einen Vektorraum mit einer Norm ausstatten. Spätestens in der Vorlesung Analysis II wird klar, dass Differenzierbarkeit einer Funktion bedeutet, dass sie sich lokal näherungsweise wie eine affin-lineare Abbildung verhält. Insbesondere ist jede affin-lineare Abbildung differenzierbar und besitzt eine Taylor-Entwicklung mit nur zwei Termen. Ab diesem Punkt können wir uns vorher in der Linearen Algebra untersuchte Eigenschaften von linearen Abbildungen zu Nutze machen.

    Dagegen sieht es bei der Linearen Algebra zunächst so aus, als ob sie kaum Strukturen aus der Analysis benötigt (zumindest, wenn man sich auf endlich-dimensionale Vektorräume beschränkt).

    Bei genauerem Hinschauen ändert sich dieser Eindruck: Eine lineare Abbildung zwischen endlich-dimensionalen normierten Räumen ist Lipschitz-stetig. Bei Anwendungen interessiert uns insbesondere die Lipschitz-Konstante einer solchen Abbildung. Es stellt sich heraus, dass dies die Matrix-Norm ist. Also sind alle linearen Abbildungen stetig, aber nicht in gleichem Maße. Dies spielt z.B. in der Numerik eine Rolle.

    Fundamentaler ist die Frage, wie es bei linearen Abbildungen auf unendlich-dimensionalen normierten Vektorräumen aussieht. In der Tat müssen diese gar nicht stetig sein! Der Grund liegt darin, dass eine lineare Abbildung auf einem Vektorraum mit unendlich vielen Richtungen sich in jeder von diesen unterschiedlich verhalten kann.

    In der Tat wird die Vielfältigkeit unendlich-dimensionaler Vektorräume deutlich, auch wenn man noch keine Abbildungen darauf betrachtet. Nach dem Satz von Heine-Borel ist eine Teilmenge des R^d genau dann kompakt, wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. Diese Aussage gilt in unendlich-dimensionalen normierten Räumen nicht. In diesem sind kompakte Teilmengen viel komplizierter, aber daher viel reichhaltiger und viel interessanter.

    Ganz grob kann man sich die Funktionalanalysis als die Synthese von Linearer Algebra und Analysis beim Studium unendlich-dimensionaler Vektorräume vorstellen.

    Warum soll man sich das Leben schwermachen und unendlich-dimensionale Vektorräume studieren? Weil Funktionenräume unendlich-dimensional sind und in vielen Teilgebieten der Mathematik und deren Anwendungen auftreten. Funktionalanalytische Sachverhalte sind insbesondere in partiellen Differentialgleichungen, der Fourier-Analysis, der Approximationstheorie, der Funktionentheorie, der kontinuierlichen Optimierung und in höheren Stochastik-Vorlesungen nützlich.

    Literatur
    • Dirk Werner: Funktionalanalysis, Springer, [ub]
    Als Ergänzung bieten sich zudem auch folgende Bücher an:
    • Winfried Kaballo: Grundkurs Funktionalanalysis, Springer, [ub]
    • Harro Heuser: Funktionalanalysis, Teubner, [ub]
    • Joachim Weidmann: Lineare Operatoren in Hilberträumen, Teubner, [ub]
    • Walter Rudin: Functional Analysis, McGraw-Hill, [ub]
    • Barry Simon: Operator Theory, AMS, [ub] (Teil 4 eines 4-bändigen Analysiskurses)

    Inhaltliche Voraussetzungen
    Die Vorlesung Funktionalanalysis II baut auf den Inhalten der Vorlesung Funktionalanalysis I aus dem SoSe 2023, bzw. einer vergleichbaren Vorlesung, auf. Das handschriftliche Manuskript der Vorlesung Funktionalanalysis I aus  dem SoSe 2023 können Sie auf der verlinkten Moodle-Seite herunterladen.
    (Dies sind keine formalen Voraussetzungen. Sie müssen keine Studienleistung/Modulprüfung des Moduls Funktionalanalysis I vorweisen.)

    Ausreichend ist ebenfalls die Kenntnis von Stoff der ersten fünf Kapitel vom aufgeführten Buch von Dirk, Werner, genauer:

    I Normierte Räume
    I.1 Beispiele normierter Räume
    I.2 Eigenschaften normierter Räume
    I.3 Quotienten und Summen von normierten Räumen
    II Funktionale und Operatoren
    II.1 Beispiele und Eigenschaften stetiger linearer Operatoren
    II.2 Dualräume und ihre Darstellungen
    III Der Satz von Hahn-Banach und seine Konsequenzen
    III.1 Fortsetzungen von Funktionalen
    III.2 Trennung konvexer Mengen
    III.3 Schwache Konvergenz und Reflexivität
    IV Die Hauptsätze für Operatoren auf Banachräumen
    IV.1 Vorbereitung: Der Bairesche Kategoriensatz
    IV.2 Das Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit
    IV.3 Der Satz von der offenen Abbildung
    IV.4 Der Satz vom abgeschlossenen Graphen
    IV.5 Der Satz vom abgeschlossenen Bild
    V Hilberträume
    V.1 Definitionen und Beispiele
    V.2 Fouriertransformation und Sobolevräume  (nur bis zur Definition der Fourier-Plancherel-Transformation)
    V.3 Orthogonalität
    V.4 Orthonormalbasen