Altern im Quartier – Städtebauliche Herausforderungen für Quartiere des Ruhrgebiets

Mit der demographischen Verschiebung der Alterskohorten stehen Städte und Gemeinden vor neuen Anforderungen, die alle zentralen stadtplanerischen Daseinsgrundfunktionen umfassen: leben, wohnen, arbeiten, sich versorgen, sich bilden, sich erholen und am Verkehr teilnehmen, richtet.  Altersbezogene Entwicklungen haben räumliche Auswirkungen. Die Bedeutung der Nachbarschaft und des Quartiers als Ort des täglichen Lebens nehmen zu.  Ein fußgänger- und radfahrfreundliches Umfeld, Rastmöglichkeiten, sichere Straßenquerungen und öffentliche Räume schaffen Voraussetzungen für aktive Fortbewegung und eine Vielzahl außerhäuslicher Aktivitäten und unterstützt somit die gesellschaftliche Teilhabe Älterer. Studien zu den Sinus-Milieus 50plus verweisen auf die Heterogenität der Ansprüche in dieser Lebensphase, auf die (nicht nur) mit Seniorenspielplätzen und barrierefreien Wohnprojekten geantwortet werden kann. Vielmehr ist bspw. die Schwelle zwischen privatem und öffentlichem Raum zu reduzieren, dass auch ältere und/oder körperlich eingeschränkten Menschen sie leicht überqueren können. Auch die Gestaltung des öffentlichen Raums ist eben mehr als nur das Platzieren seniorengerechter Bänke. „Wo liegt der Mehrwert einer Bank, wenn es rundherum nichts gibt, dass man sich während des Sitzens anschauen könnte?“ Das Ziel, kognitiv und/oder körperlich eingeschränkten, vor allem älteren Menschen den Verbleib im gewohnten Quartier zu ermöglichen, erforden eine veränderte Persektive und neue Maßstäbe von Stadtplanung und Städtebau.

Räumliche Orientierung bspw. ist eine kognitive Fähigkeit, sich im Raum zurechtzufinden und angemessen fortzubewegen. Kognitive Einschränkungen von bspw. Demenzkranken können u.a. eine zeitliche und räumliche Desorientierung umfassen. Nur wenige Studien haben sich bislang mit der Frage auseinandergesetzt, welche städtebaulichen Strukturen (Formen, Größen, Distanzen, Farben etc.), demenziell erkrankten Menschen die Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen oder behindern. Forschungen vor allem von Elizabeth J Burton und Lynne Mitchell aus dem Jahr 2006 ergaben, dass ein demenzfreundliches Wohnumfeld ein Ort ist, der vertraut, lesbar, unverwechselbar, zugänglich, komfortabel und sicher ist.

Aus stadtplanerischer Sicht stehen dabei folgende Fragestellungen im Vordergrund:

·       Welche baulichen Merkmale erleichtern oder erschweren räumliche Orientierungen?

·       Welche Infrastrukturen gewährleisten eine sichere, freie und selbständige Bewegung?

·       Welche Wegeketten gilt es in den Fokus zu nehmen?

·       Welche Gestaltung und Verortung öffentlicher Räume, ermöglichen oder erschweren eine räumliche und soziale Teilhabe?

 

Zentrale Handlungsebene für eine Bündelung der verschiedenen notwendigen Angebote ist das Quartier als gemischter und multifunktionaler Lebensraum und Identifikationsort. Am Beispiel der Fläche im Bochum Osten entwerfen die Studierenden eine Ergänzung und Fortführung zum umliegenden Stadtquartier unter Berücksichtigung forschungsbasierter Anforderungen an ein Altern im Quartier. Neben der theoretischen städtebaulichen Auseinandersetzung im Themenfeld „Altern im Quartier“ liegt der Schwerpunkt auf der räumlich-konzeptionellen Planung, die in verschiedenen Facetten des Themas vertieft werden kann. Kern der Lehrveranstaltung ist Bearbeitung einer praxisbezogenen Entwurfsaufgabe im Bochumer Osten, die mit dem Schwerpunkt einer eine hochaktuelle Fragestellung aufgreift und Ziele des Städtebaus bis zur Ebene des Bebauungsplanes führt.

Der Masterentwurf ist eingebettet in die Digi Space Camp („Winterschool“) des FUHR-Netzwerkes (https://metropolenforschung.uaruhr.de/home/newsletter/newsletter-1-2021/). Die Studierenden des Masterentwurfs starten am 18.10.2021 mit der Auseinandersetzung mit der Fläche und dem thematischen Schwerpunkt. Ihre analytischen Ergebnisse und erste konzeptionelle Ideen können im Rahmen der Digi Space Camp mit ExpertInnen und Studierenden aus anderen Disziplinen diskutiert und eingebracht werden.